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Bodendegeneration und Bodenzerstörung in Kanada


Bereits in den 1920er, verstärkt in den 1930er Jahren gab es alarmierende, z. T. dramatische Anzeichen für den Qualitätsverlust kanadischer Böden. Im südlichen Prärieraum ("Pallisers Triangle") führte die Winderosion in großen Gebieten zum gänzlichen Verlust des humushaltigen Oberbodens. Anbauflächen mussten zurückgenommen werden. Eine Bundesbehörde (PFRA - Prairie Farm Rehabilitation Administration), leitete verschiedene Maßnahmen ein, um die schlimmsten Folgen aufzufangen. Unter anderem übernahm sie ausgeblasene, zerstörte Anbauflächen und überführte sie in staatlich geleitete Weidegebiete. Man förderte die Anlage von Windschutzhecken und propagierte das "strip farming", bei dem Anbau und Pflügen / Eggen quer zur Hauptwindrichtung erfolgen.

In den folgenden Jahrzehnten schien es, als habe die Winderosion nachgelassen. Der Verlust an Bodenfruchtbarkeit, der fast in ganz Kanada bemerkbar war, konnte durch billig zur Verfügung stehende Düngemittel weitgehend ausgeglichen werden. Doch in den 1980er Jahren nahm die Winderosion und die Erosion durch fließendes Wasser bei Starkregen und Schmelzwasserabfluss in vielen Teilen des Landes wieder neue, besorgniserregende Formen an. Hinweise mehrten sich, dass die Bodenstruktur in den verschiedensten Gebieten durch die modernen landwirtschaftlichen Praktiken so stark verändert wurde, dass die Stabilität der Böden unter eine kritische Grenze gefallen war.

Zwei aufrüttelnde Untersuchungen mit den bezeichnenden Titeln "Soil at Risk" und "Will Bounty End? – The Uncertain Future of Canada’s Fodd Supply" belegten unabhängig voneinander gravierende Fehlentwicklungen. Sie machen deutlich, dass die begrenzte Ressource Boden, die Grundlage der Landwirtschaft und aller ihr zu- und nachgeordneten Industrien und Wirtschaftszweige, in höchste Gefahr geraten ist. Die Senatskommission, die zur Untersuchung von Boden- und Wasserschutz gebildet worden war, kam zu dem Schluss, dass Kanada gegenwärtig die schwerste landwirtschaftliche Krise seiner Geschichte erlebt. Der Zukunftssicherung der kanadischen Böden müsse hohe Priorität eingeräumt werden. Dem Bericht zufolge entstehen den Farmern Kanadas durch die Bodenzerstörung jährlich Kosten, die mehr als eine Milliarde Dollar betragen.

Im einzelnen wird festgestellt, dass
  • die Bodenerosion im Südwesten Ontarios bereits eine Reduzierung der Maiserträge von 30 - 40 % verursacht;
  • die Bodenversalzung in den "Prärie-Provinzen" eine Einbuße an Ernteerträgen zwischen 10 und 75 % bewirken;
  • es die Farmer im Prärieraum etwa 240 Mio. Dollar kosten würde (Preise von 1982), um den jährlichen Verlust der Getreideproduktion auszugleichen, der durch Wind- und Wassererosion hervorgerufen wird;
  • der Verlust guter landwirtschaftlicher Böden durch Verstädterung ein ernstzunehmendes Problem ist. Zwischen 1961 und 1976 gingen auf diese Weise in Kanada 1,4 Mio. ha Farmland verloren.
Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig. Besonders wichtig erscheint aber der große Druck zur Produktionssteigerung, in den die Landwirte aus ökonomischen Zwängen geraten sind. Hintergrund dafür sind u. a. die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse auf dem nationalen und internationalen Markt, sowie der agrartechnologische Fortschritt. Lange wurde die Steigerung der Produktion durch Bundes- und Provinzregierungen gefördert, ohne die Langzeitfolgen zu bedenken, die diese für den Boden mit sich bringt. Doch auch alte Methoden der Bodenbearbeitung, wie insbesondere die Sommerbrache und der Einsatz von Wendepflügen, sind für die Bodenzerstörung verantwortlich, da sie die Versalzung und Erosion fördern. Monokulturen führten zur einseitigen Bodenauszehrung und zum Verlust organischer Substanz; der Einsatz großer, schwerer Maschinen bewirkte die Bodenverdichtung.

Farmer, die heute die Notwendigkeit schonender Landbestellung erkennen, sehen sich während der erforderlichen Umstellungsphase mit vermehrten Kosten konfrontiert, die sie aus eigenen Mitteln kaum aufbringen können. Neue Landmaschinen müssten angeschafft werden, und die Feldrotation, die anstelle von "Geldfrüchten" stickstoffanreichernde Pflanzen einschiebt, würde kaum tragbare Einkommenseinbußen mit sich bringen.

Bodendegenerationserscheinungen sind in allen Regionen Kanadas festzustellen, wenn die Schwerpunkte der Probleme auch jeweils verschieden sind. Im Mittleren Westen praktizierten die Landwirte auf den fruchtbaren, dunklen Braunböden und Schwarzerden des Steppenlandes nahezu ein Jahrhundert lang eine äußerst einfache Form des Fruchtwechsels, indem auf Getreideanbau Brache folgte. Während der Sommerbrache wurde der Boden leicht bearbeitet, um den Wuchs von unerwünschten Ackerkräutern ("Unkraut") zu kontrollieren (Schwarzbrache). Üblicherweise herrschte so eine Brache, die im regelmäßigen Wechsel 20 Monate dauerte, während der die Feuchtigkeit im Boden gespeichert und mineralische Nährstoffe (vorrangig Stickstoff) im A-Horizont des Bodens (Oberboden) für den nächsten Getreideanbau gebunden wurde.


Quelle: Perthes Länderprofile Kanada
Autor: Roland Vogelsang
Verlag: Klett-Perthes
Ort: Gotha
Quellendatum: 1993
Seite: 77/78
Bearbeitungsdatum: 17.05.2006